Alle zuhause

13.02.2022

Alle zuhause

Interessante Ein- und Ausblicke bietet Tobias Stutz mit neuer Einzelschau in der Galerie Kunst2/Stefanie Boos

Es sind tatsächlich alle zuhause, sämtliche Fenster sind erleuchtet. Jedes in einer anderen Farbe, einem anderen Licht. Trotz strenger Wiederholung macht sich Individualität breit - in Tobias Stutz Serie "Evening Window" von 2021. Darin beschreibt der Bonner Maler, der gerade mit seiner Einzelschau "ZeitFenster" in Stefanie Boos' Neuenheimer Galerie Kunst2 zu Gast ist, graue Hochhausfassaden mit buntem Innenleben.

Allerdings bilden architektonische Rationalität und humane Wärme im Werk von Stutz keinen Widerspruch. Ganz im Gegenteil. Der 1983 in Filderstadt geborene Künstler ist ein großer Fan des Neuen Bauens im 20. Jahrhundert. Immer wieder rücken Schöpfungen von Gropius, Le Corbusier oder Mies van der Rohe ins Zentrum seiner Bilder. Stutz faszinieren die klaren Linien und puristischen Formen, die in den 20er und 30er Jahren von diesen Architekten ausgingen und bis heute Einfluss auf die Entwicklung und Gestaltung menschlicher Behausungen haben. Gern bezieht sich der Künstler auf Ikonen der Baugeschichte, wie die Brünner "Villa Tugendhat" von van der Rohe. Diese versetzt er in eine traumhafte, nächtliche Szene. Freundliches Licht strömt vom Inneren des Hauses in einen verschneiten Garten, dahinter erhebt sich ein Sternenhimmel in sattdunklem Blau. Das "House Falling Water" von Frank Lloyd Wright versinkt indes in einem atmosphärisch ausgeleuchteten Nebel, umrahmt von goldbraunem Herbstlaub: In mutiger Manier durchtränkt Stutz viele seiner Ansichten mit motivischen und farblichen Anleihen aus der Romantik.

Während es in diesen malerisch angelegten Bildern durchgängig eine Erdung durch die minimalistische Sprache der Räume und Häuser gibt, mildern Licht und Farbe in Stutz' Fassadenbildern ihrerseits die Härte von in Beton gegossener Monotonie. Das ist vor allem in den oben angeklungenen "Evening Windows" der Fall. In seinen Außenansichten von Le Corbusiers "Wohnmaschinen" greift der Maler dagegen einen Variantenreichtum auf, der schon im Entwurf des Architekten angelegt ist. Zusätzlich dynamisiert er diesen durch eigenwillige Fluchtlinien.

Denn gern verschiebt der Künstler, der an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studierte, Perspektiven und eröffnet damit ein wunderbares Verwirrspiel. Das betreibt er auch in den "Shaped Canvases", seinen gleichzeitig verdrehten, aber illusionistisch überzeugenden Ansichten von Raum- oder Wanddetails, auf deren Konturen er die Leinwand und eine darunter liegende Holzplatte zuschneidet. Die Malerei ermöglicht es Stutz, mit eigenen Mitteln zu "bauen" und dabei das Außen und Innen sowie die Umgebung so zu generieren, dass sie fantasievoller und harmonischer wirken als die Realität.

Unter dem Titel "Durchs Fenster geschaut" am 16.02.22 im Feuilleton der RNZ erschienen.