Anatomie auf dem Kopf
Anatomie auf dem Kopf
Ren Hang in der C/O Berlin Foundation
Hände wie Haare, Beine wie Arme, Sitzhöcker wie Schultern. Der chinesische Fotokünstler Ren Hang (1987-2017) zaubert mit seinen analogen Aufnahmen von Menschen, Tieren und Pflanzen absurd frische Bilder. Dabei stellt er das formale Repertoire der Anatomie auf den Kopf und führt natürliche Strukturen auf neue Weise zusammen. Wie ein Magier inszeniert Ren Hang Tableaus, die zwar surreal wirken, aber ein inneres Gleichgewicht und damit eine große ästhetische Sogkraft besitzen.
Hang, der sich mit 29 Jahren das Leben nimmt, gilt als einer der wichtigsten Fotokünstler Chinas und wird auch schon vor seinem Freitod international ausgestellt. Jetzt zeigt die C/O Berlin Foundation eine Retrospektive mit 150 Aufnahmen.
Der in Chang Chung geborene Fotograf arbeitet mit vertrauten Modellen - auch Freunden und Fans aus der Queerszene - und fängt diese mit einer Kompaktkamera in schlichten Hotelzimmern oder exotischen Landschaften ein. Dabei lässt er sie allein, zu zweit oder in Gruppen in geschmeidigen, fast poetischen Verbiegungen verharren, zeigt sie mit geflügeltem Getier oder eben in der Natur und findet bei seinen Sessions auch spontan zu neuen Kompositionen. Er lichtet die schlanken, jungen Menschen meist nackt ab, eckt damit in seinem Heimatland an, doch eigentlich steht die Bildidee im Vordergrund.
Die kann auch von Literatur
und Kunst beeinflusst sein. Mit großer Subtilität integriert der Chinese Zitate
und Referenzen in seine verblüffende Sicht auf die Variabilität des
menschlichen Körpers.
Jan-Feb 2020 / kunst:art Nr. 71