Das geheime Eigenleben der Farben
Manfred Mohr und Diet Sayler in der Galerie Linde Hollinger in Ladenburg - begleitet von großer Installation der Heidelberger Künstlerin Christiane Grimm
Orange, Rot, Grün oder Blau schweben durch einen schwarzen Raum. Sie erscheinen aus dem Nichts und lösen sich wieder auf. Die leuchtenden Farben werden zu zarten Streifen, Kuben oder Rhomben, die sich körperlos überlagern, sich langsam und meditativ bewegen und dem Betrachter in jedem Moment ein neues, faszinierendes Bild bieten: Nichts ist fest und greifbar in der zwölf Meter breiten Installation "La vie secrète des couleurs", die in diesem Sommer im Gewölbekeller der Galerie Linde Hollinger ihre Wirkung entfaltet. Die Arbeit von Christiane Grimm tritt in ihrer, tatsächlich das geheime Eigenleben der Farben bewahrenden Transparenz auf wie ein lyrisches Pendant zur ebenso großen Installation "Solar Wind", die die Heidelberger Künstlerin Ende letzten Jahres in der Ladenburger Galerie zeigte.
Experimentierfreude, das Spiel mit dem Zufall und die Konzentration auf konkrete Formen kennzeichnet auch Manfred Mohr und Diet Sayler, die als renommierte Vertreter der abstrakt-geometrischen Kunst seit langem mit der Galerie von Linde Hollinger verbunden sind und nun im Rahmen der Ausstellungsreihe "Artists after Eighty" dort ausstellen.
Manfred Mohr war zunächst Jazz-Musiker, bevor er sich entschied, musikalische Muster bildnerisch festzuhalten. In den 1960er Jahre entdeckte er als einer der ersten Künstler den Computer als Ausdrucksmittel. Er begann, die unendliche Vielzahl mathematischer Möglichkeiten in selbst programmierten Algorithmen einzufangen, die sich in abstrakte Körper übersetzen und in Form von Laserprints visualisieren lassen. Damit ist Mohr, der 1938 in Pforzheim geboren wurde und seit den 1980er Jahren in New York lebt, bis heute erfolgreich. Besonders interessant ist seine Auseinandersetzung mit einer computergenerierten Darstellung von mehrdimensionalen Würfeln, die er mit seiner "Bildschirm-Maschine" - so der Titel einer Reihe - in ganz unterschiedlichen Farb- und Linienkompositionen festhält und dabei mit der Balance zwischen dirigierter und zufälliger Kunstentstehung spielt.
Diet Sayler bewegt sich seinerseits in einem Spannungsfeld von rationaler und emotionaler Setzung. Der in Nürnberg ansässige Maler, der ursprünglich aus Rumänien stammt, besticht mit Werken, deren konkrete Formen ein starkes Eigenleben entwickeln, auch durch die Farben, die sie ausfüllen oder umgeben. Sayler, der lange an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg lehrte und dort zur Zeit mit einer großen Ausstellung im Neuen Museum gewürdigt wird, arbeitet mit Ausschnitten aus quadratischen oder rechteckigen Rastern, die er dynamisch - mal bewusst, mal zufällig - in unterschiedlichen Größen auf die Leinwand bringt und dann mit einem sensiblen, mehrlagigen Farbauftrag versieht. Die Farbe stellt für den Künstler eine "unendliche Orgel der Gefühle" dar und es ist in der Tat erstaunlich, wie viel davon in seinen Bildern zum Ausdruck kommt.
Rhein-Neckar-Zeitung, Feuilleton, 24.06.2020