Faszination des Unverstellten
Ausstellung in Bremen erinnert an die Maler des Heiligen Herzens
Sie zerfasern, ja zerfedern förmlich auf der Leinwand: die erstaunlich lebendigen Pflanzenbouquets der Künstlerin Séraphine Louis.
Als der Kunsthistoriker und Kunsthändler Wilhelm Uhde 1912 von der damals unbekannten Malerin ein Stillleben im französischen Senlis entdeckte, war er sofort berührt. Nichts ahnend, dass es sich bei der Urheberin um seine eigene Haushaltshilfe handelte. Er förderte die außergewöhnliche Begabung und zeigte ihre Arbeiten 1928 - zusammen mit Werken vier weiterer Künstler - in der Ausstellung Die Maler des Heiligen Herzens in Paris.
Nun wird an diese bemerkenswerte Schau im Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen mit einer Präsentation von Werken erinnert, die heute zur Sammlung Zander gehören.
Uhde,
der schon früh Künstler wie Picasso und Braque vertrat, war bald enttäuscht von
der Entwicklung der Moderne und sehnte sich nach einem authentischen Ausdruck
in der Malerei. Ihn fand er bei nicht akademisch geschulten Autodidakten, die
ihr Geld als Zöllner, Postbote, Gärtner und Hilfskraft verdienten. Er verehrte Henri
Rousseau und dessen kunstvoll gesetzte Traumlandschaften. Aber auch die stark
stilisierten Stadtansichten von Louis Vivin, die mythologischen Visionen von
André Bauchant oder die drallen Menschenbilder von Camille Bombois hatten es
ihm angetan. Immer wieder bezeichnete er die Ausnahme-Schöpfer als
leidenschaftliche "heilige Herzen".
kunst:art Nr. 88 / Nov-Dez 2022