"Spuckschutz" aus Stahl

16.05.2020


Der Bildhauer Meuser bereichert Skulpturenpark Heidelberg mit Einzelausstellung von Großplastiken - 25jähriges Jubiläum des Vereins

Von Julia Behrens

Sie sind ungeheuer schwer und wirken doch leicht, sind aus Stahl oder Eisen und wirken doch subtil: Die Skulpturen des Düsseldorfer Bildhauers Meuser. Fünf seiner Arbeiten sind jetzt im Rahmen einer Einzelausstellung im Skulpturenpark der Heidelberger Orthopädie zu sehen. Und fügen sich dort wunderbar eigenwillig in das mit altem Baumbestand begrünte Areal vor dem Hauptgebäude der Klinik ein.

Als renommierter Künstler, der 1947 in Essen zur Welt kam, bei Joseph Beuys studierte und für lange Zeit an der Kunstakademie Karlsruhe lehrte, wurde Meuser anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Vereins der Freunde und Förderer des Skulpturenparks Heidelberg nach Schlierbach eingeladen. Jubiläum und Ausstellungseröffnung hätten eigentlich an diesem Sonntag gefeiert werden sollen, doch aufgrund der aktuellen Situation wurde die Vernissage auf den 25.09.2020 verschoben. Die Ausstellung läuft allerding wie geplant vom 17. Mai bis Ende November.

Industriell gefertigte Metallprodukte - in neuer oder versehrter Form - bilden die Basis von Meusers Arbeiten. Häufig findet man den Bildhauer auf dem Schrottplatz, wo er kaputte Stahlplatten oder zerbeulte Containermulden aus dem Verwertungskreislauf befreit und direkt vor Ort in neue Sinnzusammenhänge überführt. Scheinbar mühelos verwandelt der Künstler das zerborstene, perforierte und geknautschte Material, das durch Verschleiß und Verformung immer auch etwas Erzählerisches hat, in ein hoch ästhetisches Artefakt.

Meuser entscheidet sich für jeweils ein Stück, das er als Ganzes oder in Form eines Ausschnitts verwendet, bearbeitet es mit Industriefarben, Lacken oder Rostschutzmitteln und versieht es mit einem Sockel, meist einem Stahlträger, dessen ruhige, kantige Präsenz er mit dem fast organisch wirkenden Eigenleben des Metallschrotts kontrastiert und Letzterem etwas Schwebendes, Unbeschwertes verleiht. Das ist auch bei "Spuckschutz" von 2020 der Fall, einer beige eingefärbten Stahlplatte voller Dellen und Löcher, die so gar nichts mit der virenabwehrenden Funktion ihres Titels gemein hat und so wirkt, als hätte der Bildhauer die Arbeit nicht nur mit Farbe, sondern auch mit einer feinen Schicht Ironie überzogen.

Meuser, der eigentlich anders heißt, und sein Pseudonym ebenso verschmitzt zu tragen scheint wie die Werke ihre Titel, liebt sinnige Bezeichnungen, die er in den Skulpturen wie ein zusätzliches, künstlerisches Element einsetzt.

Andere Arbeiten kommen ganz "ohne Titel" daher, wie zwei ältere Werke aus den 80er und 90er Jahren, die wesentlich geometrischer auftreten. Es sind Stahlträgerkompositionen, die den Einfluss konstruktivistischer und minimalistischer Strömungen erkennen lassen. Interessanterweise ließ sich Meuser während seiner Studienzeit in Düsseldorf auch von der reduzierten Formensprache seiner Malerkollegen Imi Knoebel oder Blinky Palermo inspirieren. Dies wird an der rechteckigen Rasterung und gelben Fassung einer raumgreifenden Arbeit von 1992 deutlich, die trotz ihrer Größe und "gradlinigen" Ausrichtung bereits etwas Leichtes, Spielerisches besitzt. Ein Merkmal, das sich durch das gesamte Œuvre von Meuser zieht - nicht zuletzt auch durch die Unikats-Edition "Krupp am Ende" von 2020, die der Bildhauer anlässlich des 25-jährigen Vereinsjubiläums am 25.09.2020 präsentieren wird.

In Schlierbach treten die Arbeiten Meusers zu den dauerhaft installierten Exponaten des Skulpturenparks in Dialog. Und es bringt Spaß, sich gerade im linken Bereich vor dem Haupteingang, auf Entdeckungstour nach farbigen oder formalen Bezügen zu machen.

16. Mai 2020 / Feuilleton - Rhein-Neckar-Zeitung