Neo-Dada in Neo-Renaissance

18.04.2020

David Renggli bespielt die Villa Merkel in Esslingen  

Der Schweizer David Renggli (*1974) probiert in der Kunst alles aus: Einheitlicher Stil? Fehlanzeige. Festlegung auf eine Technik? Ein Graus. Renggli collagiert, malt und kreiert Skulpturen oder Möbel unterschiedlichster Couleur. Darüber hinaus verbindet er die einzelnen Werkgruppen gern zu installativen Erlebnisräumen.

So jetzt auch in der Villa Merkel, Galerie der Stadt Esslingen, einem historistischen Bau im Renaissance-Stil, der heute als innovative Plattform für zeitgenössische Positionen gilt.

Renggli krempelt schon die prächtige Eingangshalle um, begräbt den ornamentalen Fußboden mit einem Teppich und lädt mit selbst gebauten Sitzmöbeln und einfallsreichen Tischen gleich mal zum Verweilen ein. Denn in den Tischen aus grünem Samt und verglasten Bilderrahmen verbergen sich neben eigenen Arbeiten auf Papier auch Ausschnitte aus Kunstbüchern und -katalogen, Gesellschaftsmagazinen oder gedruckter Vintage-Erotika. Sprich Zutaten, aus denen der findige Künstler in seinem Züricher Atelier seine neo-dadaistischen Gedankengebäude ständig neu zusammensetzt.

Aus Rengglis experimenteller Haltung geht dann zum Beispiel eine Serie von sich frei im Raum windenden, schlanken Linien aus Stahl hervor, sogenannten Künstlersignaturen, die sich jedoch nicht zuordnen lassen. Der Nobilitierung der Kunst schleudert er die Auflösung derselben entgegen, und das mit einer gehörigen Portion Selbstironie. An anderer Stelle finden sich monumentale Figuren - zum Beispiel eine in die Länge gezogene Vogelscheuche - oder auch übergroße Instrumente, wie eine riesige Flöte oder monochrome Gongs in Bonbonfarben, die in der Ausstellung klanglich zum Einsatz kommen. Eher skulptural wirken außerdem die Netzbilder des Schweizers, die sich durch das Voreinander-Blenden zweier Bildebenen bei einer Rezeption in Bewegung sehr lebendig zeigen.

Die häufig dreidimensionale Ausformung seiner Ideen und die intensive Beschäftigung mit Körperlichkeit und Schönheit, die aus seinen Papiercollagen herausblitzt, ist - so Andreas Bauer, langjähriger Leiter der Villa Merkel - dann doch ein wesentliches Merkmal in Rengglis Schaffen. In diesem Zusammenhang spielt auch die Physis der Besucher in der Ausstellung eine Rolle. Das Publikum wird bewusst gelenkt und soll sich im Idealfall interaktiv auf die spielerische Anmutung der Inszenierung einlassen. Das fängt bei der Herausforderung gängiger Wahrnehmungsstrukturen an und endet mit der Nutzung der ungewöhnlichen Möbel oder so exotischer Exponate wie dem Wunschbrunnen, der sich ebenfalls im Lichthof der Villa Merkel befindet.

Begeistert schildert Andreas Bauer das Ausstellungsprojekt, bei dem die Ideen lang in der Luft jongliert wurden, um sich dann in den Köpfen der Verantwortlichen festzusetzen. So gestaltete sich auch die Realisation der Schau wie ein übergeordneter, künstlerischer Prozess. Kein Wunder, schließlich probiert Renggli in der Kunst alles aus. 

1. März 2020 / kunst:art Nr. 72