Schatz aus der Sammlung Klewan

01.05.2022

Alberto Giacometti im Museum Moderner Kunst Wörlen Passau

So ein Glück: Kurz bevor die größte deutsche Giacometti-Sammlung nach Wien abwandert, sind noch einmal 100 Werke des Schweizer Bildhauers in Passau zu sehen. Der renommierte Galerist Helmut Klewan erklärte sich kurzfristig bereit, sie dem Museum Moderner Kunst Wörlen Passau für eine Einzelschau zur Verfügung zu stellen. Sehr zur Freude von Direktorin Marion Bornscheuer, die Klewan erst im Dezember letzten Jahres kennengelernt hatte.

Mit seinen einzigartig langgezogenen, schrundigen Figuren avancierte Alberto Giacometti (1901-1966) zu einem der berühmtesten Vertreter der Nachkriegsmoderne. Er wuchs im Bergell, im italienischen Teil der Schweiz auf und wurde schon als Kind durch seinen Vater Giovanni, einem postimpressionistischen Maler, künstlerisch gefördert.

Im ersten Abschnitt der 6-teiligen Ausstellung in Passau, die sieben Gemälde, ebenso viele Skulpturen sowie zahlreiche Zeichnungen und Druckgrafiken umfasst, finden sich Ansichten seines Heimatorts Stampa sowie einige Selbstportraits und Bildnisse der Familie.

Im Jahr 1922 ging Giacometti zum Studium nach Paris und mietete sich dort 1926 ein kleines, heruntergekommenes Atelier, das bis zu seinem Tod im Januar 1966 seinen Arbeitsmittelpunkt darstellte. Hier entstanden auch seine berühmten Stehenden, die sogenannten Femmes Debout oder Nus Debout, denen in Passau der nächste Raum gewidmet ist.

Immer wieder hielt der Künstler seine unmittelbare Umgebung in Skizzen und Zeichnungen fest, auch die Straßenzüge und Bistrots in seinem Viertel Montparnasse. Als er 1958 den Radius erweiterte, entstand daraus die Grafikserie Paris sans fin, die in der Ausstellung mit der Skulptur La Cage von 1950 in Dialog tritt.

Trotz eines hohen Arbeitspensums fand Giacometti die Zeit, sich in Cafés wie Les Deux Magots oder Le Dôme mit Literaten und Philosophen zu treffen und mit einigen enge Freundschaften zu schließen. Eine Reihe von Portraits bezeugt das hoch interessante und illustre Umfeld des Schweizers in der französischen Hauptstadt.

Da Giacometti häufig an Fragen der künstlerischen Umsetzung seiner eigenen optischen Eindrücke verzweifelte, geriet er 1938 durch die Beobachtung einer sich auf einem Boulevard entfernenden Freundin in eine Krise. In den folgenden Jahren schrumpften seine Plastiken auf ein sehr kleines Maß zusammen, wie Zeichnungen und Skulpturen im fünften Segment der Ausstellung zeigen.

Erst nach dem 2. Weltkrieg fand er zu seiner charakteristischen Formensprache. Nun spielte auch die Malerei eine wichtige Rolle. Sie ist im letzten Raum der Schau anhand von sechs beeindruckenden Gemälden zu erleben.

Dass die Giacomettis aus der Sammlung Klewan einmal in Passau gezeigt würden, hatte sich schon der Stiftungsgründer des Museums, Hanns Egon Wörlen (1915-2014) gewünscht, weiß Leiterin Bornscheuer.

Nun geht die Sammlung von Helmut Klewan, der von 1970 bis 1999 in Wien und München als Galerist tätig war, im Laufe dieses Jahres an die Albertina nach Wien.

kunst:art Nr. 85, Mai-Juni 2022