Spannende Positionen zeitgenössischer Malerei

17.04.2021


Im Heidelberger Kunstverein konkurrieren fünf Nominierte um den diesjährigen WERK.STOFF Preis der Andreas Felger Kulturstiftung 

Von Julia Behrens

Eindeutige Stilrichtungen? Breite Strömungen? Die sucht man in der zeitgenössischen Malerei vergebens. Zwar existiert noch immer die grobe Unterscheidung zwischen konkret, abstrakt und gegenständlich, doch die Übergänge sind heute so fließend wie die physischen Grenzen der Bilder, die oft weit über das klassische Format hinausgehen. Das, was bedeutende Gegenwartsmalerei vor allem ausmacht, ist - wie es scheint - eine konstante, prozesshafte und individuelle Auseinandersetzung mit dem Medium.

Der sind auch Ursula Schöndeling vom Heidelberger Kunstverein und Friedemann Felger von der nach seinem Vater benannten Andreas Felger Kulturstiftung auf der Spur. Gemeinsam schreiben sie alle drei Jahre den WERK.STOFF Preis für in Deutschland lebende Künstlerinnen und Künstler aus, die von renommierten, für Diversität stehenden Kuratorinnen und Kuratoren sowie Kunstschaffenden nominiert werden. Nachdem die Auszeichnung 2018 in Form eines Stipendiums, einer Katalogbeihilfe und einer Folgeausstellung an Nadira Husain ging, wird sie im Juni zum zweiten Mal verliehen. Im Vorfeld zeigen nun die insgesamt fünf Nominierten, die alle an einer Kunstakademie studiert haben, ihre Positionen in einer hochkarätigen Ausstellung.

Den Auftakt macht eine Installation von Ada van Hoorebeke aus Belgien. Darin suggerieren große, im Raum aufgehängte Batikbilder, rote Färberwannen, eine blaue Plane, auf dem Boden verteilte Zeitungen sowie Wände mit gedruckten Katalogseiten eine Werkstattsituation. Denn die Künstlerin, die heute in Berlin lebt, legt einen ausgeprägten Fokus auf die Produktion von Kunst, macht sämtliche Herstellungsschritte sichtbar und bezieht - zum Beispiel in Workshops - ihr Publikum mit ein. Van Hoorebeke hat das Batiken als künstlerische Praktik in Indonesien entdeckt. Sie staffelt die Bahnen gern hintereinander wie die Blätter eines Buches und nimmt mit halb figürlich, halb kalligrafisch anmutenden Zeichen ebenfalls auf Schrifterzeugnisse Bezug.

Tatsächlich sind außereuropäische und kulturübergreifende Ansätze und Arbeitsweisen mehrfach zu finden. Wie auch in den Gemälden von Mojé Assefjah, die 1970 in Teheran geboren wurde und nun in München ansässig ist. Auf ihren Leinwänden fließen westliche und östliche Traditionslinien ineinander, die auf die italienische Renaissancemalerei sowie auf die Bild- und Schrifttradition des antiken Persiens zurückgehen. Sie manifestieren sich in riesigen, elegant fließenden Pinselstrichen aus Eitempera, die per se abstrakt bleiben, sich aber in räumlicher Schichtung zu Interieurs oder Landschaften verdichten und vereinzelt einen Zweig oder eine Blüte hervorwachsen lassen. Ohne Angst vor dem Dekorativen schöpft Assefjah aus dem Formenrepertoire der eigenen Geschichte und entwickelt daraus einen unverwechselbaren Stil.

Identitätsstiftende Elemente durchziehen auch die Arbeiten der 1990 in Moskau geborenen Künstlerin Anna Slobodnik. Sie ist fasziniert von Mustern und Ornamenten, die sie als kulturelle Metaphern untersucht und bildnerisch umgestaltet. Bewusst setzt sie Kunsthandwerk und freie Kunst in Beziehung und hinterfragt in diesem Spannungsfeld die Rolle weiblichen Kunstschaffens. Aus ihrem Atelier in Berlin hat die Malerin großformatige Schöpfungen auf Leinwand und Papier mitgebracht, auf denen sie eindrucksvoll mit der mehrfach gebrochenen Motivik von Teppichen, Stoffen oder Kacheln aus unterschiedlichsten Zeiten und Orten spielt. Dabei zeigt sie durch geschickte Hängung ganz nebenbei, wie stark Ornamentik Räume beeinflussen und definieren kann.

Ganz anders reagiert das visuelle Gedächtnis des Publikums auf die traumversunkenen Setzungen von Veronika Hilger. In den Gemälden und glasierten Keramiken der Münchnerin verwächst sich auf eigenartig intensive Weise Kreatürliches und Organisches mit Zeichenhaftem. Es gibt leichte und offensichtlich intendiert gewählte Anklänge an René Magritte oder Max Ernst, die sich auch in dem surrealen Arrangement der Objekte im Raum spiegeln. Nichts lässt sich klar deuten und doch oder gerade deshalb haben die Werke etwas Elementares, das aus der Komposition von Form und Farbe hervorscheint. Hier zählt vor allem die intuitive Rezeption, die einer emotionalen Herangehensweise der Künstlerin bei der Arbeit entspricht.

Mit hintersinnigem Vergnügen verhandelt schließlich der Brite Bradley Davies aus Köln in seinen gegenständlichen Bildern Fragen zu gesellschaftlichen Codes. In seiner Präsentation locker gemalter Jockey-Jacken nimmt er darauf Bezug, dass Kleidung durch Erkennbarkeit zum Emblem werden kann, hinter dem das Individuum - in diesem Fall der Reiter - verschwindet. Und reflektiert darüber, dass die Nominierten im Kunstverein ebenfalls gegeneinander antreten.

Wer letztendlich das Rennen macht, entscheidet die Jury, zu der neben Ursula Schöndeling auch Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, und Martin Engler, Kurator am Städel in Frankfurt/Main, zählen.

WERK.STOFF Preis für Malerei. Bis 13.06.21. Heidelberger Kunstverein, Hauptstraße 97, 69117 Heidelberg, 06221-184086, hdkv@hdkv.de. Anmeldung bei Vernissage vor Ort möglich, ansonsten vor Besuch per Telefon oder Email. Virtueller Rundgang, digitale Führungen und Gespräche unter www.hdkv.de

Unter "Spannende Positionen" am 17.04.21 im Feuilleton der Rhein-Neckar-Zeitung erschienen.