Von purem Licht

08.12.2020

Klarer Himmel im Corona-Jahr inspirierte Eberhard Ross zu neuem Bildzyklus - Einzelausstellung in der Galerie Kunst2-Stefanie Boos

Vogelschwärme, organische Muster, Klangfarben und jetzt das Licht: Die Natur ist immer Ausgangspunkt und Ausdruck in der Kunst von Eberhard Ross.

Der 1959 in Krefeld geborene Maler lässt sich gern auf Spaziergängen inspirieren und war im Corona-Jahr beeindruckt von der überraschend intensiven Farbigkeit und Leuchtkraft des Himmels. Das vom Rückgang der Emissionen ausgelöste Phänomen gab Anlass zu einer Serie von Arbeiten, die gerade in Ross' aktueller Einzelausstellung "Refugium" in der Galerie Kunst2-Stefanie Boos von der Wand strahlen.

In der abstrakten Reihe mit dem sinnigen Titel "on the nature of daylight" beginnt das Zentrum der Leinwand hell zu schimmern und sich wie ein angenehm warmes Licht sowohl in die Tiefe als auch in den Raum auszubreiten.

Die neuen Bilder sind von sehr unterschiedlicher, meist stark gebrochener und bewusst diffuser Farbigkeit in wunderschönen Tönen. Ross fährt - wie schon in seinen "Speicher"- und "fermata"-Versionen - mit einem Stift durch die letzte noch feuchte Fläche der Ölfarbe und bringt in unendlich vielen feinen Lineaturen die Farben der darunterliegenden Schicht zum Schwingen. Diese ist meist heller, wird aber ebenfalls in ausdifferenzierten Farbverläufen zu den Rändern hin dunkler. Das Licht entwickelt sich vor allem aus diesem leuchtenden Untergrund heraus und scheint teils wie durch einen Nebel oder eine einfallende Dämmerung zu schweben. Zudem verändert sich seine Qualität durch die jeweilige Beleuchtungssituation im Ausstellungsraum.

Der in Frankfurt und Mühlheim an der Ruhr tätige Künstler greift gern Strukturen auf, die dem natürlichen System unseres Planeten zu Grunde liegen und schafft daraus eine eigene, autonome Form von "Natur" auf der Leinwand. Das funktioniert auch jetzt wieder, indem die Werke keinen Lichtschein abbilden, sondern diesen durch den Einsatz von Bewegung und Farbe quasi selbst erzeugen.

Dass der Maler bei seiner Arbeit Musik hört, weitet das Ganze um eine wichtige Ebene: Der Titel "on the nature of daylight" ist einem Stück von Max Richter entliehen, dessen Kompositionen Ross ebenso schätzt wie die von Keith Jarrett, Arvo Pärt oder Johann Sebastian Bach. Rhythmus und Klang der jeweiligen Musik fließen unmittelbar in den Entstehungsprozess mit ein, sodass der Künstler neben visuellen Impressionen auch harmonische akustische Impulse einflicht. Das führt zu einem nahezu meditativen Gesamteindruck, die Bilder werden zu einem Ort von Ruhe und Ausgeglichenheit, zu einem Refugium - wie es das Motto der Schau so treffend beschreibt.

RNZ, Feuilleton vom 08.12.2020