Warten auf Anselm Kiefer
Warten auf Anselm Kiefer
Zur digitalen Präsenz der Kunsthalle Mannheim
Von Julia Behrens
Was macht man in der Krise? Man macht das Beste draus. Das zumindest scheint Kunsthallen-Chef Johan Holten gedacht zu haben, als er am ersten Tag der auferlegten Corona-Schließung im Frühling zum Handy griff, per Video durch die gespenstisch leeren Ausstellungsräume seines Hauses lenkte und schließlich ein Meisterwerk der Sammlung vorstellte. Viele Museen taten es ihm nach, auch vor Ort wurden Mitarbeiter dazu aufgefordert, Zuschauern in kleinen selbstgedrehten Clips Gemälde oder Skulpturen aus der Kunsthalle Mannheim näher zu bringen. Es entstand die sogenannte #KuMaChallenge, die auf einschlägigen Social-Media-Kanälen wie Facebook, Instagram und Twitter Verbreitung fand und die als Serie auf der Website des Mannheimer Museums im Bereich "KuMa Digital" zu erleben ist (KuMa Digital/Videos).
Auch jetzt, im November-Lockdown, geht es um die virtuelle Zugänglichkeit der Institution: Blogs befassen sich mit aktuellen Themen (KuMa Digital/Blog), während Fotos, kurze Filme sowie Live-Führungen (unter #KuMaAtHome auf Facebook und Instagram) Einblicke in Ausstellungsbereiche und hinter die Kulissen gewähren. Da sitzt zum Beispiel Kurator Sebastian Baden mit weißen Handschuhen in den Händen auf einer überdimensionierten Transportkiste und informiert über den Aufbau der großen Anselm-Kiefer-Schau, die nach dem eigentlich im November geplanten Start hoffentlich im Dezember eröffnen wird. Später lädt Dorothee Höfert als Leiterin der Kunstvermittlung zu einer "Kunstpause am Mittag" ein und führt durch die lichten Säle des Neubaus.
Doch nicht erst seit der Pandemie verfolgt die Kunsthalle Mannheim eine digitale Strategie. Schon seit der Einweihung des Neubaus im Sommer 2018 überzeugt das Museum mit der riesigen "Collection Wall" im Atrium, auf der sich Besucher per Touch-Funktion auf die Suche nach Werken der Sammlung machen und Details dazu in einer App abrufen können.
Mit dieser KuMa App lässt es sich dann wunderbar durchs Museum spazieren, in normalen Zeiten ganz real und in besonderen Zeiten eben virtuell. Da gibt es nicht nur aufschlussreiche Texte zu vielen Werken, sondern auch Audioangebote zu Ausstellungen und herausragenden Exponaten. Abrufen lassen sich diese allerdings ausschließlich per Kopfhörer, die man bei jedem Besuch der Kunsthalle oder zuhause zur Hand haben sollte.
Noch umfangreicher in die Sammlung vertiefen kann man sich auf der Website des Museums (Sammlung/Sammlung Online). Knapp 1.500 Werke sind in der Online-Datenbank gelistet. An die Navigation muss man sich allerdings erst gewöhnen, hier sind die Webdesigner etwas übers Ziel hinausgeschossen.
Ganz neu ist die Memo App für Kinder und Jugendliche (memo game Kunsthalle Mannheim), die in Form eines Spiels im Augmented-Reality-Look nach Schnitzeljagdprinzip zu unterschiedlichen, im ganzen Haus verteilten Highlights der Sammlung führt. Im Rahmen einer Geschichte stellen hippe Manga-Typen die jeweiligen Gemälde auf dem Handy-Display als "Tableau vivant", als "lebendes Bild" nach und versetzen sie so in die Gegenwart. Die übergeordnete Aufgabe, die Werke zu retten, funktioniert auch mit der Website (Sammlung/Sammlung Online/Memo Werksammlung), ergibt aber in didaktischer Hinsicht im Museum mehr Sinn.
Insgesamt hat die Kunsthalle Mannheim ein abwechslungsreiches und informatives digitales Portfolio zu bieten, das viel von dem zeigt, was gerade nicht besichtigt werden kann.
Erschienen im RNZett der Rhein-Neckar-Zeitung, 19.11.2020